Warum sollte ich den Wert meiner Praxis ermitteln lassen?
In der überwiegenden Zahl der Fälle wird die Frage nach dem Praxiswert für viele erst dann relevant, wenn es um den Kauf oder Verkauf der Praxis geht. (Hier geht es zur Checkliste für eine reibungslose Praxisübergabe)
Aber es gibt noch weitere Szenarien, in denen es von entscheidend ist, den Wert Ihrer Praxis zu kennen.
- Ein- und Austritt sowie der Wechsel von Gesellschaftern (Kurzgutachten)
- Zusammenschluss von Praxen (Kurzgutachten)
- Erbschaftssteuer (Kurzgutachten)
- Entschädigungen (Großes Wertgutachten)
- Zugewinnausgleich im Scheidungsfall (Großes Wertgutachten)
Der Umfang der Praxiswertermittlung ist stets abhängig von der Ausgangssituation. Geben Sie Ihre Praxis erst mittel- bis langfristig ab, empfiehlt sich ggf. lediglich eine Praxiswertschätzung. Ist die Veräußerung oder Auflösung Ihrer Praxis hingegen innerhalb der nächsten 12 Monate geplant, ist ein Kurzgutachten die eindeutig bessere Wahl. Der Begriff “Kurzgutachten” soll hierbei aber nicht irreführen. In der Regel umfasst ein solches Gutachten zwischen 10-15 Seiten.
Kommt es zum Scheidungsfall ist hingegen das Große Wertgutachten unabdingbar. Ebenso bei etwaigen Entschädigungsansprüchen. Hierbei kommt es zu einer Ortsbegehung einschl. Fotodokumentation.
Methodik
Das modifizierte Ertragswertverfahren
Das modifizierte Ertragswertverfahren orientiert sich an dem IDWS 1 2008-Standard des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer. Es ist derzeit das vorherrschende Bewertungsverfahren für die Bewertung von (Zahn-)Arztpraxen. Im Unterschied zum reinen Ertragswertverfahren wird eine Begrenzung des Kapitalisierungszeitraumes vorgenommen sowie der Substanzwert angemessen berücksichtigt. Im Gegensatz dazu kennt das reine Ertragswertverfahren keine Begrenzung des Kapitalisierungszeitraumes, im Sinne einer “ewigen Rente” wird der Ertragswert des Unternehmens fortgeschrieben.
Welche Faktoren sind für eine Praxiswertermittlung von Bedeutung?
Ziel des modifizierten Ertragswertverfahrens ist es die für einen Käufer mit der Praxis in der Zukunft zu erzielenden Erträge zu ermitteln und durch Diskontierung auf die Gegenwart abzuzinsen. Welche Schritte sind hierfür notwendig?
– Analyse der in der Vergangenheit erzielten Erlöse und Gewinne (i.d.R. drei bis fünf Jahre)
– Bereinigung um personengebundene Erlöse und Kosten (darunter fallen auch Käufe oder Verkäufe medizinischer Geräte)
– Nachvollziehbare und begründete Prognoserechnung
– Ansetzen eines angemessenen individuellen Unternehmerlohns
– Berücksichtigung von Abschreibungen, Fahrzeugkosten und Zinsen
– Festlegung des Kapitalisierungszeitraumes (Praxis-Rekonstruktion bzw. Goodwill-Reichweite)
– Ermitteln eines Kalkulationszinses zur Diskontierung der prognostizierten Erlöse
– Substanzwert des Inventars berechnen (hier sind mehrere Ansätze in der Praxis möglich)
– Forderungen und Verbindlichkeiten der Praxis berücksichtigen
– Sensitivitätsanalyse und Plausibilitätsprüfung
Das modifizierte Ertragswertverfahren ist somit zukunftsgerichtet, transparent und für Inhaber und potentiellen Käufer nachvollziehbar. Um im Alltag einen Ausgleich zwischen Verkäufer und Käufer zu erreichen ist Objektivität und Neutralität gefordert. Vor allem hinsichtlich der Bewertung des Inventars und der Festlegung der Goodwill-Reichweite ist entsprechendes Hintergrundwissen und Erfahrung notwendig.
Bei der Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums werden zwei Ansätze verfolgt:
Es stellt sich bei der Bewertung einer Arztpraxis die Frage, welche Gewinne in der Zukunft mit der übernommenen Arztpraxis erwirtschaftet werden können. Eine Vorgehensweise ist hierbei die sogenannte Praxis-Rekonstruierung. Dabei wurde überlegt, wie lange es dauern würde, die übernommene Praxis in allen Einzelheiten zu rekonstruieren.
Folgende Bewertungsmaßstäbe haben sich in der Praxis durchgesetzt:
– Aufbauphase bei Hausarzt- und Zahnarztpraxis zwischen zwei und vier Jahren,
– Spezialisierte Fachärzte drei bis fünf Jahre,
– ausschließlich gerätemedizinische Arztpraxen mit starker Überweiserstruktur vier bis sechs Jahre.
Alternativ zur Praxis-Rekonstruierung dient die Patienten-Reichweite zur Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums. Dieser Methode liegt die Tatsache zu Grunde, dass eine Arztpraxis vom Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient lebt. Nach einer erfolgten Praxisübernahme geht der Patientenstamm auf den Nachfolger über. Es kommt dabei auch zum Aufbau eines neuen, eigenen Patientenstamms. Bei der Abzinsung der prognostizierten Gewinne wird daher nur der Zeitraum berücksichtigt, in dem sich der Patientenstamm des Vorgängers verflüchtigt. In der Regel wird hierfür ein Zeitraum von zwei bis fünf Jahren angesetzt. Jedoch ist die Patientenstruktur hinsichtlich Verteilung auf Kassen- und Privatpatienten der Arztpraxis entscheidend.